[infobrief] Aktionstag am Donnerstag: Für das ganze Bleiberecht!
arbeitskreis asyl goettingen
akasylgoe at emdash.org
Mit Feb 21 17:36:33 CET 2007
Hallo,
wir möchten Euch mit dieser Mail nochmal auf den Aktionstag Morgen in
Göttingen hinweisen: 100 Tage und kein Bleiberecht!
Unten findet Ihr unsere "Bilanz" der Umsetzung der Bleiberechtsregelung in
Göttingen. In den kommenden Tagen wird es in bisher 18 Städten Aktionen für
ein bedingungsloses Bleiberecht geben. Seid dabei!
Mehr Infos auf der Seite: http://papiere-fuer-alle.org/bleiberecht
>Demonstration zur Ausländerbehörde
>Donnerstag, 22.2. Beginn um 14 Uhr am Markt / Liesel
>Öffentliche Pressekonferenz und Abschlusskundgebung
>um 15.30 vor dem Neuen Rathaus
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100 Tage und kein Bleiberecht!
Aktionstage für das bedingungslose Bleiberecht: 22. bis 24. Februar 2007
www.papiere-fuer-alle.org/bleiberecht
„Ab Morgen Früh können langjährig Geduldete ihr Bleiberecht bekommen.“ Dieses
große Versprechen gaben die Innenminister der Länder nach ihrer Konferenz in
Nürnberg am 17.11.06. Sie einigten sich auf eine „Bleiberechtsregelung“ für
die rund 200.000 Menschen, die seit Jahren lediglich mit einer „Duldung“,
d.h. ohne sicheren Aufenthaltsstatus in Deutschland leben müssen.
100 Tage nach Inkrafttreten der Regelung ziehen wir Bilanz: In Göttingen haben
seit November 0,5 % der geduldeten Flüchtlinge und Migrant_innen ein
Bleiberecht erhalten! Von insgesamt 1301 geduldeten Menschen in Stadt und
Landkreis Göttingen bekamen bis jetzt lediglich 7 ein Bleiberecht. Die Hürden
der Verhinderung des Bleiberechts liegen sowohl in den durch die IMK
gesetzten Ausschlusskriterien, wie auch in den unbestimmten Teilen der
Regelung: Viele Passagen der Regelung werden nach dem Ermessen der
Ausländerbehörde der ausgelegt: In Göttingen ist beispielsweise der gleiche
„Sachbearbeiter“ für die Bearbeitung der Anträge zuständig, der seither für
„Aufenthaltsbeendigung“ (Selbstbezeichnung) zuständig war und ist. Für viele
„Geduldete“ kann der Antrag aufs Bleiberecht zudem zur Abschiebefalle werden:
>LibaSoli: Bleiberecht nur gegen falsche Identität!
Seit sieben Jahren versucht die Ausländerbehörde in Northeim über 120
libanesische Bürgerkriegsflüchtlinge in die Türkei abzuschieden. Nachdem es
über Jahre nicht gelungen war, den Libanon zur Aufnahme der Flüchtlinge zu
bewegen, wurde den Familie in Northeim und Einbeck die türkische
Staatsangehörigkeit zugeschrieben und ihnen vorgeworfen, seit ihrer Ankunft
in der BRD über diese türkische Identität getäuscht zu haben. Dies ist auch
der Grund mit dem die Ausländerbehörde selbst Kinder und junge Erwachsene
abschieben will, die hier geboren sind. Insbesondere die jungen Erwachsen
könnten nun von der Bleiberechtsregelung profitieren. Wie z.B. Fatima (Name
geändert), die seit 17 Jahren in Deutschland lebt und auch schon die Zusage
eines Arbeitgebers für einen Ausbildungsplatz hat. Allerdings bekommt sie
keine Arbeitserlaubnis. Die Ausländerbehörde Northeim verlangt zunächst, dass
sie sich einen türkischen Pass besorgt und sich einen neuen türkischen Namen
zulegt. Genau dieser türkische Pass fehlt der Behörde seit Jahren, um Fatima
in die Türkei abschieben zu können. Als Lockmittel stellt die Behörde völlig
unverbindliche „Bescheinigungen“ aus, in denen es heißt, die betreffende
Person könne bei Vorlage eines türkischen Passes unter die
Bleiberechtsregelung fallen, wenn sie zugleich die anderen Kriterien erfülle!
Darunter z.B. das Kriterium der Mitwirkungspflicht und der Täuschung. Nach
dem bisherigen Vorgehen der Ausländerbehörden gegen die
Bürgerkriegsflüchtlinge liegt es auf der Hand, dass die Anträge nach Vorlage
des Passe abgelehnt werden und die Abschiebung der Jugendlichen droht.
>Weiterhin kein Bleiberecht für Roma!
Das gleiche Problem stellt sich auch bei vielen Roma und Ashkali aus
Göttingen, die trotz drohender Verfolgung und Verelendung in den Kosovo
abgeschoben werden sollen. Zudem verlangt die Göttinger Ausländerbehörde nach
Auskunft der Behördenchefin Munke, dass der gesamte Unterhalt durch
Erwerbstätigkeit aufgebracht werden soll – gerade bei Familien mit Kindern,
lässt die Regelung dabei aber den Behörden ausreichend Spielraum zugunsten
der Betroffenen! Hinzu kommt, dass viele der Roma-Flüchtlinge aus dem
ehemaligen Jugoslawien seit Jahren in Göttingen unter krankmachenden
Bedingungen leben und nicht arbeiten dürfen: Auf dem Göttinger Arbeitsmarkt
dürfte es für sie unmöglich sein, einen ausreichend bezahlten Arbeitsplatz zu
finden. Sie bleiben in den Augen der Göttinger Verwaltung die
„Unerwünschten“ daran ändert auch die Bleiberechtsregelung nichts.
>Bleiberechtserlass, Artikel 2: „Konsequente Rückführung“
Dies sind nur zwei kleine Schlaglichter auf die (Nicht-)Umsetzung des
Bleiberechts in Göttingen – sie ließen sich noch um etliche weitere Punkte
ergänzen! Und das wäre noch nicht alles: Ein wesentlicher Bestandsteil der
Bleiberechtsregelung ist der Beschluss der Innenminister, alle Flüchtlinge,
die nicht darunter fallen, verstärkt abzuschieben. Wörtlich heißt es im 2.
Artikel des Beschlusses:
„Der Aufenthalt von Ausländern, die nach dieser Regelung keine
Aufenthaltserlaubnis erhalten können, muss konsequent beendet werden. Die
Rückführung von ausreisepflichtigen Ausländern soll durch geeignete Maßnahmen
verbessert werden und praktische Hindernisse der Abschiebung insbesondere von
Straftätern sollen soweit möglich beseitigt werden. ... ."
Konkret wird derzeit ein neues Gesetz vorbereitet, dass Abschiebungen
erleichtern und die Schikanen gegen Flüchtlinge verschärfen soll. Es ist zu
befürchten, dass dieses Vorhaben konsequenter umgesetzt wird, als die
Bleiberechtsregelung: Ausländerbehörden sollen die Befugnis erhalten, ohne
richterliche Genehmigung Hausdurchsuchungen bei Flüchtlingen durchzuführen,
Abschiebehaft soll verlängert werden und es ist geplant, weitere Haftgründe
einzuführen. „Geduldete“ sollen in Zukunft noch weniger Sozialleistungen
erhalten – das Arbeitsverbot bleibt freilich bestehen. Zur Zeit wird noch
diskutiert, ob zu diesen Verschärfungen noch eine gesetzliche
Bleiberechtsregelung in das Zuwanderungsgesetz aufgenommen werden soll. Die
bisherigen Vorschläge orientieren sich allerdings an der Nürnberger Regelung.
Deshalb wollen wir mit dem Aktiontag rund um den 24. Februar, dem 100sten Tag
der Bleiberechtsregelung, unsere Forderungen nach dem ganzen Bleiberecht
erneuern! Wir fordern:
>Ein Bleiberecht für alle geduldeten Flüchtlinge und Migrant_innen!
>Legalisierung alle Papierlosen!
>Gleiche Rechte und Zugang zu medizinischer Versorgung für alle!
>Das Bleiberecht darf nicht mit Verschärfungen im Zuwanderungsgesetz
>erkauft werden!
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>Geduldet?
Etwa 200.000 Menschen leben in der BRD mit dem Status der Duldung. Werden die
Personen hinzu gezählt, die sich im Abschiebeverfahren befinden, in den
Abschiebeknästen sitzen oder lediglich solche Titel wie
Grenzübertrittsbescheinigungen ausgestellt bekommen haben, dann sind es
insgesamt 360.000 Menschen, die von Behörden als „ausreisepflichtig“ geführt
werden. Die meisten leben seit vielen Jahren in der BRD oder sind hier
geboren. Ihre Abschiebung ist nicht möglich, dennoch gelten sie als
„ausgewiesen“ und unterliegen damit bestimmten Gesetzen, die konkret massive
Entrechtung bedeuten: Sie bekommen Gutscheine und gekürzte Sozialleistungen,
es ist ihnen verboten zu arbeiten oder einen eigenen Wohnsitz zu wählen. Sie
unterliegen der Residenzpflicht und haben keinen Anspruch auf Sprachkurse
oder sog. „Integrationsmaßnahmen“.
In den letzten Jahren haben sich immer häufiger „Geduldete“ gegen diesen
Status zur Wehr gesetzt und damit erreicht, dass es einen breiten Konsens für
eine Bleiberechtsregelung gibt. Die Regelung die am 17.11.2006 von
Innenministerkonferenz (IMK) verabschiedet wurde, steht allerdings weiter in
der Logik der Entrechtung und Abschiebung. Sie ist das „humanitäre
Feigenblatt“, mit dem die massenweise Abschiebung von langjährig geduldeten
Menschen durchgesetzt werden soll. So wird immer wieder behauptet, wer keine
Straftaten begangenen habe, wer bereit sei zu arbeiten, Deutsch spreche und
„integriert“ sei, könne nun ein Bleiberecht erhalten. Die Übrigen könnten
dann mit der geplanten weiteren Verschärfung der sozialen Situation und neuen
Instrumenten der Schikanen und Abschiebungen, aus dem Land getrieben werden.
Was hinter dieser Argumentation steckt, wollen wir an einigen ausgewählten
Punkten der Regelung deutlich machen:
>Straftaten
Wer zu insgesamt 50 oder 90 Tagessätzen Strafe verurteilt worden ist, hat
keinen Anspruch auf das Bleiberecht. Für langjährig Geduldete ist es schwer,
nicht nach einem der speziellen Ausländergesetze verurteilt zu werden, z.B.
der Residenzpflicht: Wer seinen zugewiesen Landkreis wiederholt verlassen
hat, hat sich bereits strafbar gemacht. Nicht selten kommt es bei
Polizeikontrollen zudem zu Übergriffen und Verletzungen durch die Beamten. In
der Folge werden die Kontrollierten mit Verfahren wegen Widerstand oder
Körperverletzung überzogen. Auch die Erfüllung der Passpflicht endet für
viele Flüchtlinge mit einer Verurteilung: Viele Identitätsnachweise werden
von den Behörden als Fälschungen angezeigt.
>Passpflicht
Nur mit einem gültigen Nationalpass hat eine Person Anspruch auf das
Bleiberecht. Die Ausländerbehörde in Northeim beispielsweise verlangt, dass
zunächst der Pass abgegeben wird, bevor alle anderen Kriterien der Regelung
geprüft werden. Die Passbeschaffung kann einige Monate dauern. Falls die
Ausländerbehörde dann allerdings nach einem der anderen Kriterien ablehnt,
steht der Abschiebung nichts mehr im Wege. Besonders perfide ist diese Praxis
bei den libanesischen Bürgerkriegsflüchtlingen. Sie gelten den Behörden als
türkische Staatsangehörige. Nur wenn sie diese türkische Identität annehmen,
wird ihr Antrag bearbeitet. Es liegt auf der Hand, wie sich die Behörden in
Northeim und Göttingen verhalten werden, wenn sie im Besitz der Pässe sind:
Sie schieben ab!
>Mitwirkungspflicht
Für Geduldete besteht die Pflicht, an ihrer Abschiebung mitzuwirken. Haben sie
diese Pflicht bisher nicht erfüllt, kann ihnen das Bleiberecht versagt
werden. Wenn also nun ein Pass vorgelegt wird, wie es die Ausländerbehörde
verlangt, kann dies von der Behörde als „Nichterfüllen der
Mitwirkungspflicht“ ausgelegt werden (weil der Pass schon früher hätte
vorgelegt werden können). Diese Auslegung liegt im Ermessen der Behörden. Die
Mitwirkungspfllicht kann schon dann als „nicht erfüllt“ angesehen werden,
wenn beispielsweise gegen eine drohende Abschiebung erfolgreich Rechtsmittel
eingelegt worden sind.
>Arbeit
Es kommt bei der Regelung nicht allein darauf an, ob jemand arbeitet.
Ausschlaggebend ist die Höhe des Lohns. Für eine Familie mit vier Kindern,
müsste der Betrag, der nach Abzug von Miete und Nebenkosten übrig bleibt z.B.
bei ca. 1600 Euro liegen. Dass es für Menschen, die seit Jahren unter einem
Arbeitsverbot hier leben, deren Ausbildung oftmals nicht anerkannt wird und
denen zudem durch die Schikanen der Behörden und den Abschiebedruck massiv
zugesetzt worden ist, nahezu unmöglich sein wird, eine entsprechende Arbeit
zu finden, liegt auf der Hand. Arbeitsunfähige oder Menschen im Rentenalter
haben nur dann Anspruch auf das Bleiberecht, wenn von dritter Seite für ihren
Unterhalt und die medizinische Versorgung und Pflege gesorgt wird. Das
Bleiberecht wird zudem nur für die Dauer des Arbeitsvertrages gewährt und
alle zwei Jahre neu überprüft: Sinkt der Lohn, steigt die Miete oder kommt
ein Kind hinzu, kann das die Abschiebung bedeuten.
In der Regel gilt bei der Arbeitssuche für Geduldete der gesetzliche
Grundsatz: Arbeit zuerst für Deutsche! Dieses „Vorrangprinzip“ ist für die
Bleiberechtsregelung außer Kraft gesetzt worden. Allerdings sind die
Arbeitsagenturen angehalten, zu prüfen, ob der Antragsteller in seinem Job zu
den gleichen Bedingungen beschäftigt wird wie „Deutsche“ in einem
vergleichbaren Job. In der Praxis zieht sich diese Prüfung oft so lange hin,
dass der Arbeitgeber sich schließlich für einen anderen Kandidaten
entscheidet. Vereinzelt wurde auch schon die Arbeitserlaubnis verweigert, da
der Lohn nicht den geltenden Tarifen entsprach.
Viele weitere Kriterien und Ermessensspielräume der Behörden machen die
Regelung zu einem Risiko für die Betroffenen und an der Unsicherheit des
Aufenthalts ändert sich nichts. Zugelassen zur Reglung wird nur, wer zunächst
alle Asyl- und verwaltungsrechtlichen Verfahren die auf einen Aufenthalt
ausgerichtet sind, abbricht und zu zurück nimmt. Also, erst wenn alle
Hindernisse gegen die Abschiebung ausgeräumt sind, wird der Antrag
bearbeitet. Und dann liegt es im Ermessen der Abschiebebeamten, ob das
Bleiberecht gewährt wird!
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